Ein weiterer Schritt hin zur künstlichen Zelle

Der Einbau funktionsfähiger, DNA-basierter Zytoskelette in zellgroße Tröpfchen

20. Juni 2022

Wissenschaftler*innen weltweit arbeiten daran, funktionsfähige, künstliche Zellen zu bauen. Mit ihnen können zellulärer Mechanismen in einem stark kontrollierten und definierten Umfeld untersucht werden. Dies ist sowohl für das grundlegende Verständnis der Natur als auch für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze in der Medizin wertvoll. Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung und Kolleg*innen der Universität Stuttgart ist nun der nächste Schritt in Richtung einer synthetischen Zelle gelungen: Sie haben funktionsfähige, DNA-basierte Zytoskelette in zellgroße Tröpfchen eingebracht. Zytoskelette sind wesentliche Bestandteile jeder Zelle, die ihre Form, Organisation und andere lebenswichtige Funktionen wie den Transport von Molekülen zwischen verschiedenen Teilen der Zelle steuern. Die Forscher*innen konnten auch Funktionen der DNA-Zytoskelette wie den Transport von Molekülen oder den Auf- und Abbau als Reaktion auf bestimmte Auslöser zeigen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Chemistry veröffentlicht.

Das Zytoskelett ist ein entscheidender Bestandteil jeder Zelle und besteht aus verschiedenen Proteinen. Neben der grundlegenden Funktion, der Zelle ihre Form zu geben, ist es für viele zelluläre Prozesse wie die Zellteilung, den intrazellulären Transport verschiedener Moleküle oder die Beweglichkeit als Reaktion auf externe Signale entscheidend. Aufgrund dieser Bedeutung in natürlichen Systemen ist die Möglichkeit, die Funktionalität von Zytoskeletten auch in einem künstlichen Aufbau nachzuahmen, ein wichtiger Schritt zum Bau und Design einer synthetischen Zelle. Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an das System ist dies jedoch mit vielen Herausforderungen verbunden. Dazu zählen sowohl die Stabilität des Zytoskeletts als auch schnelle Anpassungsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit auf äußere Stimuli.

Forscher*innen auf dem Gebiet der synthetischen Biologie haben zuvor bereits DNA-Nanotechnologie verwendet, um Bestandteile von Zellen mit DNA nachzubauen. Dazu zählen zum Beispiel Kanäle, die Moleküle durch die Zellmembran transportieren oder Verbindungsstellen zwischen zwei Zellen. Dazu nutzen sie die Tatsache, dass DNA so programmiert und manipuliert werden kann, dass sie sich durch komplementäre Basenpaarung selbst in eine designte Form fügt.

DNA oder Proteine?

„Die Natur hat Proteine ​​ausgewählt, um funktionale Komponenten für Zellen zu bauen. Wir verwenden ein anderes Material: DNA. Es ist spannend, dass wir mit DNA-Nanotechnologie nicht nur strukturelle Nachahmungen von Proteinen bauen können, sondern auch wirklich funktionelle Teile von Zellen schaffen.“ (Kerstin Göpfrich, Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin am MPI für medizinische Forschung)

Zuvor war es Wissenschaftler*innen wie Paul Rothemund, Elisa Franco und Rebecca Schulman bereits gelungen, DNA zu mikrometergroßen Filamenten (wie eine Perlenkette) zusammenzusetzen, die die Grundlage für den Aufbau eines Zytoskeletts bilden. Seitdem wurden solche Filamente mit immer mehr Funktionen ausgestattet. Sie reagieren zum Beispiel auf äußere Stimulation indem sie sich selbst auf- und abbauen können. Wissenschaftler*innen des MPI für medizinische Forschung und der Universität Stuttgart haben nun den nächsten Schritt zum Bau einer künstlichen Zelle gemacht, indem sie diese Filamente als synthetisches Zytoskelett nutzen und ihnen weitere Funktionalitäten geben.

 

„Es ist spannend, dass wir den Zusammenbau des DNA-Zytoskeletts auch mit dem Molekül ATP auslösen können – demselben Stoff, den Zellen verwenden, um verschiedene Mechanismen anzutreiben, quasi eine Energiequelle“, sagt Kerstin Göpfrich, Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin am MPI für medizinische Forschung. Darüber hinaus konnte das Team den Transport von Vesikeln, die wie kleine Container Fracht beinhalten, entlang der Filamente auslösen. Dies ahmt den Vesikeltransport entlang von Teilen des natürlichen Zytoskeletts in Zellen, den Mikrotubuli, nach. „Im Vergleich zum Transport in lebenden Zellen ist der Transport entlang unserer DNA-Filamente noch langsam. Ihn zu beschleunigen ist eine Herausforderung für die Zukunft“, sagt Kevin Jahnke, einer der beiden Erstautoren der Arbeit und Postdoc in der Gruppe von Kerstin Göpfrich am MPImF. Pengfei Zhan, Postdoc in der Gruppe von Na Liu in Stuttgart, fügt hinzu: „Es war eine besondere Herausforderung, das energetische Umfeld für den Auf- und Abbaufähigkeiten richtig einzustellen.“ In Zukunft sollen die DNA-Filamente noch weitere Funktionen erhalten, um natürliche Zellen noch besser nachzuahmen., Forscher*innen könnten so künstliche Zellen herstellen, um zelluläre Mechanismen genauer zu untersuchen oder neue Therapieansätze zu entwickeln.

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