Max Planck Institute for Medical Research

Geschichte des Instituts

Die Max-Planck-Gesellschaft, zu der das Institut gehört, entstand aus der 1911 in Berlin gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG). Ziel der KWG war es, wissenschaftliche Forschung in Deutschland - auch im Hinblick auf technologischen Fortschritt - durch außeruniversitäre Einrichtungen zu stärken. Der geographische Schwerpunkt der KWG lag ursprünglich in Berlin und Preußen.

In den 1920er Jahren wollte der angesehene Heidelberger Mediziner Ludolf von Krehl ein Institut für Grundlagenforschung an der Schnittstelle zwischen klinischer Medizin und Physik/Chemie ins Leben rufen. Dafür nutzte er seine ausgezeichneten Beziehungen, vor allem zum KWG-Gründungspräsidenten Adolf von Harnack. Das 1930 eröffnete, bautechnisch besonders fortschrittliche Gebäude des KWI für medizinische Forschung stand auf einem von der Stadt Heidelberg geschenkten Gründstück am Neckarufer; es war das erste Institut im Neuenheimer Feld und das erste KWI im süddeutschen Raum. Das neue Institut beherbergte zunächst Abteilungen (Teilinstitute”) für Physik, Chemie, Physiologie und Pathologie, geleitet von Karl-Wilhelm Hausser, Richard Kuhn, Otto Meyerhof sowie Krehl selbst. Vor allem Kuhn und Meyerhof gelangen in diesen ersten Jahren großartige wissenschaftliche Erfolge. Die Kooperation des Physikers Hausser mit Kuhn war richtungsweisend, jedoch starb er schon 1933, und Walther Bothe wurde als Nachfolger berufen. Krehl starb 1937, noch bevor seine eigene Abteilung eingerichtet werden konnte.

Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, verdüsterten sich die Aussichten. Meyerhof, als Jude, floh 1938 zunächst nach Paris und – nachdem Frankreich von Deutschland besetzt worden war -- 1941 unter abenteuerlichen Bedingungen weiter in die USA. Eine Plakette im Institut gedenkt seiner und 22 anderer Institutsangehöriger, die infolge der NS-Gesetze das Institut verlassen mussten.

Zum Kriegsende wurde die Forschung an allen KWIs durch Beschluss der Siegermächte eingestellt. Bis auf einige zerborstene Fenster hatte das Gebäude des KWImF kaum Kriegsschäden erlitten, und nur Wochen nach Kriegsende, nämlich schon im Juni 1945, erhielt Richard Kuhn (Nobelpreis für Chemie 1938) die Genehmigung zur Fortsetzung seiner Arbeit. Historische Nachforschungen, erleichtert durch die Öffnung der Archive in den 1990er Jahren, haben Hinweise auf schwere moralische Verfehlungen bei der Forschung Richard Kuhns während der NS-Zeit ergeben (siehe Literaturliste).

Die Siegermächte nutzten die südlichen Flügel des Instituts als Aero-Medical Center, und die physikalische Abteilung blieb bis auf den Betrieb des Zyklotrons zunächst geschlossen. Walter Bothe kehrte an seine frühere Stelle an der Heidelberger Universität zurück. 1948-1949 wurde die KWG unter dem Namen und der Ehrenpräsidentschaft von Max Planck neu gegründet. Bothe konnte erst 1952 seine Arbeit an der Teilchenphysik hier fortsetzen; für diese erhielt er 1954 den Nobelpreis. Als Bothe 1957 starb, wurde Wolfgang Gentner als Nachfolger berufen. Die räumlichen Verhältnisse am Institut waren den Erfordernissen der Hochenergiephysik nicht mehr gewachsen, und Gentner machte seine Zusage davon abhängig, dass die Abteilung Physik ausgelagert und zu einem selbstständigen Institut ausgebaut wurde. So wurde das neue MPI für Kernphysik am Königstuhl 1962 eröffnet.

Am MPI für medizinische Forschung setzte sich auch nach dem Tod Kuhns 1967 die Tradition seiner chemischer Forschung bis in die 1990er Jahre hinein fort (Th. Wieland, H. Staab).  Eine weitere Kooperation zwischen Physik und Chemie war die Entwicklung der NMR durch K.-H. Hausser, Sohn von K.-W. Hausser. und die Erforschung der Muskelphysiologie in der Tradition Meyerhofs wurde durch H.H. Weber, W. Hasselbach und K.C. Holmes fortgesetzt, und Entwicklungen in der Biologie in den 1960er Jahren führten zur Gründung der Abteilung Molekularbiologie (H. Hoffman-Berling). In den 1980er und 1990 Jahren wurde Neurophysiologie zu einem neuen Schwerpunkt, und neue Abteilungen für  Zellphysiologie (Bert Sakmann, 1989-2007), Molekulare Zellforschung (Wolf Almers, 1992-1999), Molekulare  Neurobiologie (Peter H. Seeburg,1995-2016) und Biomedizinische Optik (Winfried Denk,1999-2016) wurden eingerichtet. In der Abteilung Biomolekulare Mechanismen (I. Schlichting, 2002- ) werden die Mechanismen komplexer enzymatischer Prozesse  und Faltungsvorgänge in der Zelle untersucht. Wie bei der Entwicklung von Synchrotronstrahlung durch K.C. Holmes in den 70er Jahren geht es hier darum, die Verfügbarkeit immer intensiverer Röntgenquellen für die Strukturbiologie zu nutzen.

Die Zusammenarbeit zwischen dieser Abteilung und den neuen Abteilungen (2015- ) von Stefan W. Hell, Joachim Spatz und Kai Johnsson wird die Basis eines zentralen institutsweiten Projekts in den kommenden Jahren sein (siehe Profil).

Selbstständige, von NachwuchswissenschaftlerInnen geleitete Max-Planck-Forschungsgruppen wurden für Ionenkanalstruktur (1997-2003), Entwicklungsgenetik (1999-2004), Neurophysiologie des Verhaltens (2008-2013) und Entwicklungsgenetik des Nervensystems (Soojin Ryu, 2008-2016) eingerichtet.

Seit der Gründung des Instituts haben fünf Nobelpreisträger hier gearbeitet: Otto Meyerhof (Physiologie oder Medizin), Richard Kuhn (Chemie), Walther Bothe (Physik), Bert Sakmann (Physiologie oder Medizin) und Stefan Hell (Chemie).
Die Arbeiten, für die Rudolf Mößbauer 1961 den Nobelpreis für Physik teilte, wurden hier durchgeführt.

 

Literatur:

P Gruss / R. Rürup (Hrsg.), Denkorte, Dresden: Sandstein Verlag 2010

F. Schmaltz, Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus, Göttingen: Wallstein Verlag 2005

 

DirektorInnen des KWImF / MPImF

Ludolf v. Krehl (1929-1937)
Otto Meyerhof (1929-1938) (Nobel Prize 1922)
Richard Kuhn (1929-1967) (Nobel Prize 1938)
Karl-Wilhelm Hausser (1929-1933)
Walther Bothe (1933-1957) (Nobel Prize 1954)
Hermann Rein (1952-1953)
Hans Hermann Weber (1954-1966)
Karl-Hermann Hausser (1966-1987)
Hartmut Hoffmann-Berling (1966-1987)
Wilhelm Hasselbach (1967-1988)
Theodor Wieland (1967-1981)
Kenneth C. Holmes (1973-2003)
Heinz Staab (1976-1996)
Bert Sakmann (1989-2007) (Nobel Prize 1991)
Wolf Almers (1992-1999)
Winfried Denk (1999-2016)
Peter H. Seeburg (1996-2016)
Ilme Schlichting (2002-  )
Stefan Hell (2015-  ) (Nobel Prize 2014)
Joachim Spatz (2016-  )
Kai Johnsson (2016-  )

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