Wie sieht ein Virus aus, das andere Viren „krank“ macht?

Die Reifungsprozesse der Virophagen geben uns einen besonderen Einblick.

4. Juli 2018
Erst befällt ein Virus einen Wirt, wie zum Beispiel Einzeller im Zooplankton des Meeres, und dann wird seine Vermehrung gestört, weil es durch ein weiteres Virus „krank“ gemacht wird? In diesem außergewöhnlichen Dreiergespann kann das zweite Virus, auch Virophage genannt, zusätzlich zum Überleben des Wirts beitragen. Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg tragen nun durch die Aufklärung der Struktur und des Reifungsprozesses des Virophagen Mavirus entscheidend zum Verständnis dieses Systems bei. Ihre Erkenntnisse könnten zukünftig der Herstellung von Viruspartikeln dienen, deren Eigenschaften gezielt verändert und in der Biotechnologie angewendet werden können.

Er sieht aus wie ein Fußball mit seinem Muster aus Fünf- und Sechsecken, nur sehr viel kleiner und eckiger: ein Viruspartikel. Es ist die Form des Virophagen, der alle Informationen und Bauteile enthält, die zur Vermehrung notwendig sind. Wie das vernähte Leder eines Fußballs die Luft im Inneren hält, so bilden Proteine die Hülle dieses Partikels und sorgen dafür, dass die genetische Information (DNA) des Virus und andere Bestandteile erst am Ziel (in der Wirtszelle) abgegeben werden. ForscherInnen aus der Abteilung Biomolekulare Mechanismen am MPI für medizinische Forschung gelang es nun, die Struktur und die Reifung dieser Hüllenproteine aufzuklären.

„Wir beobachten, dass sich die Virushülle in einem zweistufigen Prozess bildet“, erklärt Diana Born, Erstautorin der Veröffentlichung und Doktorandin in der Forschungsgruppe von Dr. Jochen Reinstein. Die Hülle besteht hauptsächlich aus einem Protein, dem „großen Kapsidprotein“. Hunderte von diesen Molekülen bilden im ersten Schritt die Virushülle, zusammen mit weiteren Virusproteinen (z.B. „Penton“), und schützen die eingeschlossene Virus-DNA. Unter den Proteinen in der Virushülle gibt es ein virales Enzym, eine Protease, die das große Kapsidprotein im zweiten Schritt, dem Reifungsschritt, „kürzt“. Dadurch erhöht sich unter anderem die Stabilität des Partikels in saurer Umgebung. „Diese Veränderung der Virushülle ist wahrscheinlich wichtig, damit das Virus einen neuen Wirt infizieren kann“, so Diana Born und Jochen Reinstein weiter. Außerdem vermuten die ForscherInnen, dass dies die Bindung der Virus-DNA an die Hülle lockert, was für die Freigabe und anschließende Vermehrung der Erbinformationen in der Wirtszelle wichtig ist.

„Besonders spannend ist, dass sich die Proteine der Partikelhülle von ganz alleine richtig anordnen, ohne dass ein weiteres Protein Anweisungen gibt, wie groß die Hülle gebaut werden soll“, sagt Jochen Reinstein.  Das ist für Viruspartikel mit einem Durchmesser von ca. 75 nm (1 Nanometer entspricht 1 milliardstel Meter), wie wir ihn hier beobachten, sehr ungewöhnlich. Diesen Mechanismus möchte die Forschungsgruppe ausnutzen, um die Größe der Partikel durch nur geringe Änderungen an den Proteinen zu beeinflussen. Zukünftig ließen sich so „Virus-artige“ Partikel generieren, die in ihren Eigenschaften und Inhalten bewusst verändert werden können und dadurch neue Anwendungen in der Biotechnologie haben - zum Beispiel als winzige Bioreaktoren oder biologische Transporthüllen für Moleküle.

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