Eine neue Klasse lichtsteuerbarer fluoreszierender Farbstoffe für ultrahochauflösende Mikroskopie
Kleine biokompatible photoaktivierbare Fluorophore, PaX-Farbstoffe genannt, ermöglichen das Abbilden mit Fluoreszenz auf den Nanoskala im Rahmen von mehreren hochauflösenden Mikroskopietechniken.
Mikroskopie bei Ultrahochauflösung (Nanoskopie) liefert zur Zeit der Wissenschaft völlig neue Möglichkeiten, die Organisation lebender Systeme auch auf der Nanoskala sichtbar zu machen. Allerdings stellen diese Methoden hohe Anforderungen an die Eigenschaften der fluoreszierenden Moleküle, mit denen die Proben eingefärbt werden. Ein multidisziplinäres Team in der Abteilung Optischen Nanoskopie am MPI für medizinische Forschung in Heidelberg hat nun eine neue Familie photoaktivierbarer fluoreszierender Marker entwickelt, die bei gleich drei aktuell wichtigen nanoskopischen Methoden − STED, PALM und MINIFLUX − Anwendung finden. Ihre Arbeit ist gerade in Nature Chemistry erschienen.
Fluoreszenzmikroskopie ist inzwischen ein unverzichtbares Werkzeug bei Untersuchungen der Struktur biologischer Systeme. Die jüngsten Entwicklungen bei den Methoden der Nanoskopie wie z.B. MINFLUX oder MINSTED ermöglichen eine Auflösung in der Größenordnung der Dimensionen kleiner Moleküle. Wesentlich bei diesen Methoden ist die genaue Lokalisierung der Fluorophore: es darf zu jedem Zeitpunkt nur ein einziges fluoreszierendes Molekül im Blickfeld vorliegen – alle weiteren müssen in einem abgedunkelten Zustand sein. Die Beobachtung wird für jedes fluoreszierende Molekül nach dem anderen wiederholt, um ein hochaufgelöstes Bild von einem dicht markierten Objekt zu erhalten. Photoaktivierbare (‘caged’) Farbstoffe, die erst nach einer Aktivierung mit Licht fluoreszieren, eignen sich hier optimal.
Mehrere Familien photoaktivierbarer Farbstoffe kommen in der Fluoreszenznanoskopie zur Anwendung; jede hat jedoch eigene Nachteile. Im Vergleich zu organischen Farbstoffen sind z. B. photoaktivierbare fluoreszierende Proteine eher groß, nur moderat hell, und eher labil gegenüber Beleuchtung. Die bekannten Strategien zur Entwicklung von ‚caged‘ Molekülen gelingen wiederum nicht zuverlässig bei manchen Farbstofftypen oder in manchen Umgebungen, außerdem können sie giftige Nebenprodukte freilassen.
Die Wissenschaftler am MPImF verfolgten hier eine ganz andere Idee und entwarfen eine neue Familie photoaktivierbarer Farbstoffe ohne ‚caging‘-Gruppen die ‚photoaktivierbare Xanthone‘ (PaX-Farbstoffe). „Wir gaben der ganz klassischen Photochemie von Radikalen einen neuen Dreh“, sagt Richard Lincoln, erster Autor der Veröffentlichung. Wir bauten Moleküle mit einer Radikalfalle in der Nähe einer lichtaktivieren Radikalquelle. Licht lässt das Molekül sich schnell in ein Fluorophor umwandeln. Dadurch verläuft die Photoaktivierung der PaX-Farbstoffe sauber und zuverlässig, unbeeinflusst von üblichen Pufferlösungen oder Biothiolen wie GSH und ohne dass potenziell schädliche Nebenprodukte entstehen. Außerdem verläuft die Aktivierung über einen Protonisierungsschritt, weswegen sie am besten in wässriger Umgebung bei neutralem pH funktionieren und sich daher für die meisten intrazellulären Umgebungen eignen. PaX-Farbstoffe passieren leicht Zellmembranen, und ihre Photostabilität entspricht jener der besten Labels für lebende Zellen. „Wegen dieser Stabilität sind PaX-Farbstoffe ein universelles Werkzeug in Fluoreszenzmikrosopie und Nanoskopie und eignen sich für PALM- und STED- Bildgebung“, sagt Mariano Bossi, ein weiterer Autor. Die PaX-Farbstoffe sind außerdem mit einigen anderen Standardmethoden im Umgang mit lebenden Zellen kompatibel, vor allem mit Halo Tag und SNAP-Tag.
„Unsere Arbeit veranschaulicht die Rolle der synthetischen Chemie in der Entwicklung von fluoreszierenden Markern, sagt Alex Butkevich, korrespondierender Autor des Artikels. Die entscheidende Verwandlung, die uns den Weg zu diversen Pax-Strukturen öffnete, ist eine schwierige C-H- Funktionalisierung. Aktuell arbeiten die Chemiker der Abt. Optische Nanoskopie am Design weiterer Analoge der Pax-Farbstoffe mit breiterer Farbpalette, um weitere Anwendungen in der zellulären und biomedizinischen Bildgebung zu ermöglichen.