Orden Pour le Mérite für Stefan Hell

Der "Orden Pour le mérite" gehört zu den höchsten Auszeichnungen in Deutschland für besondere Leistungen in Wissenschaft und Kunst.

1. September 2022

Am 18. Juni 2022 wurde der Nobelpreisträger für Chemie Stefan Hell zusammen mit Jürgen Habermas, dem Dirigenten und Musikwissenschaftler Peter Gülke und dem britischen Architekten Sir David Chipperfield in Berlin zum Mitglied des Ordens ‚Pour le mérite für Wissenschaften und Künste‘ gewählt. Dies gab der Kanzler des Ordens, Prof. Dr. Hermann Parzinger, am 22. Juli dieses Jahres bekannt. Damit stieg der Direktor am Heidelberger Max-Planck-Institut für medizinische Forschung (MPImF) auf in den Kreis der Trägerinnen und Träger dieser geschichtsträchtigen deutschen Auszeichnung.

Die Ordensgemeinschaft des Pour le mérite ist eng mit der deutschen Geschichte und herausragenden Köpfen ihrer Kunst und Wissenschaft verbunden. 1740 wurde der Orden von Friedrich dem Großen als Ehrung geschaffen; sie war nicht nur dem deutschen Militär vorbehalten. In der Folge trat aber der weltoffene Charakter der Auszeichnung in den Hintergrund. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen knüpfte 1842 mit der neu geschaffenen Friedensklasse an die ursprüngliche Ausrichtung an und zeichnete den Naturforscher Alexander von Humboldt als deren ersten Empfänger „für die Verdienste um die Wissenschaften und Künste“ aus.

 

Der Theologe Adolf von Harnack setzte sich in der Weimarer Republik erfolgreich für den Erhalt der Ordensgemeinschaft als „Freie Vereinigung von hervorragenden deutschen Gelehrten und Künstlern" ein. Der Künstler- und Gelehrtenvereinigung gehörten noch 1933 Albert Einstein, Käthe Kollwitz als erste Ordensritterin und Ernst Barlach an – alle wurden sie in den darauffolgenden Jahren verfemt und verfolgt. Erst nach Ende des Nationalsozialismus wurde die Tradition der Ordensgemeinschaft durch Initiative des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss ab 1952 wieder mit Leben erfüllt. Derzeit gehören ihr 39 deutsche und 38 ausländische Mitglieder an; 15 von ihnen wurden auch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

 

Stefan Hell hat einige Fragen beantwortet, was die Verleihung des Ordens für ihn persönlich bedeutet.

 

F: Auch Adolf von Harnack, Albert Einstein und Rudolf Mößbauer sind Mitglieder des Ordens gewesen. Wer von ihnen hat eine Rolle in Ihrem intellektuellen Werdegang gespielt?

A: Alle drei haben für meine wissenschaftliche Laufbahn eine Rolle gespielt, jeder auf seine eigene Weise. Der Theologe Adolf von Harnack hat die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gegründet. Ihrer Nachfolgeorganisation, der Max-Planck-Gesellschaft, verdanke ich meinen Arbeitsplatz und die Wirkungsstätte, an der ich entscheidende wissenschaftliche Durchbrüche machen konnte. Das war auch dadurch begünstigt, dass die Max-Planck-Gesellschaft nach dem ‚Harnack-Prinzip‘ ausgerichtet ist, welches besagt, dass man Wissenschaftlern mit originellen Ideen keine großen Vorgaben machen, sondern beste Ausstattung und Freiraum bieten sollte. Albert Einstein habe ich schon als Student wegen seiner unerschrockenen Herangehensweise an die Realität bewundert. Rudolf Mößbauer hat schon als Doktorand an unserem Max-Planck-Institut für medizinische Forschung grundlegende spektroskopische Experimente am Atomkern durchgeführt, die seinen Namen tragen. Es macht einen demütig, mit diesen Persönlichkeiten der Wissenschaftsgeschichte in Verbindung gebracht zu werden.  


F: Viele derzeitige Mitglieder der Ordensgemeinschaft stammen aus den Naturwissenschaften wie Erwin Neher, Christiane Nüsslein-Volhard oder Emmanuelle Charpentier, die ja wie Sie Mitglieder der Max-Planck-Gesellschaft sind. Andere Ordensmitglieder - etwa Hans Magnus Enzensberger - sind Künstler*innen oder kommen aus den Geisteswissenschaften wie Jürgen Habermas und das Ehepaar Jan und Aleida Assmann. So sind die Ordenstreffen eine Möglichkeit zu originär interdisziplinärem Austausch. Worüber würden Sie z.B. mit der Schriftstellerin Herta Müller oder mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier gerne sprechen?

A: Herta Müller kenne ich - wenn auch nur flüchtig - aus anderen Begegnungen, genauso wie den Bundepräsidenten. Ich freue mich, sie wieder und auch regelmäßig zu sehen. Gänzlich unbekannt sind für mich viele andere Ordenskollegen aus den Künsten und der Architektur sowie den Geisteswissenschaften. Diese Fächer sind ja sehr stark durch ihre jeweiligen Epochen geprägt. Ich freue mich herauszufinden, wie sehr diese Persönlichkeiten das Denken in unserer Zeit geprägt haben oder ob sie mit ihrem Denken von heute an der einen oder anderen Stelle anecken.


F: Sie haben schon viele Auszeichnungen bekommen - was macht diese für Sie besonders?

A: Der Pour le mérite hat ja eine noch längere Tradition als der Nobelpreis und ist nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland - gerade auch im angelsächsischen Kulturkreis - ein Begriff. Weil er auch Künste umfasst, ist sein Wirkungsspektrum gesellschaftlich hochrelevant.


F: Verraten Sie uns, wie viele Orden Sie schon besitzen? Wann hat man heute überhaupt noch Gelegenheit, eine solche Auszeichnung zu tragen?

A: Ich habe sie bisher nicht gezählt, aber wo Sie jetzt fragen: der Pour le mérite ist, so glaube ich, der vierte. Bei gewissen Anlässen wird als Zeichen von Respekt vor dem Anlass oder Gast erwartet, Orden zu tragen. Heutzutage trägt man Orden nur noch selten. Sie haben nicht mehr so ganz die Rolle, die sie früher hatten - und das ist vielleicht auch gut so.


F: Sie sprachen oben das ‚Harnack-Prinzip‘ an, das die Max-Planck- Institute leitet, um wissenschaftliche Spitzenleistungen zu ermöglichen. Solche Leistungen erzielt man aber nicht mit guter Ausstattung allein…

A: Hätte ich keine hervorragenden Leute im Team gehabt, hätten Sie heute nicht diese Fragen an mich gerichtet. Gute Teams kommen aber nicht von alleine. Damit man sie bekommt, muss man selbst Teamplayer sein.

Über den Preisträger

Stefan Hell studierte in Heidelberg Physik. Nach seiner Promotion 1990 forschte er als Postdoktorand am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg und wechselte 1993 an die Universität von Turku (Finnland). Dort entwickelte er das Prinzip der STED-Mikroskopie. Von Turku wechselte er 1997 als Leiter einer Max-Planck-Nachwuchsgruppe an das Göttinger MPI für biophysikalische Chemie (heute MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften), wo er mit seinem Team die Funktionsweise des STED-Verfahrens nachwies und dieses entwickelte. 2002 wurde er dort als Direktor berufen und leitet seitdem die Abteilung NanoBiophotonik. Seit 2016 ist er auch Direktor am MPI für Medizinische Forschung in Heidelberg. Neben dem Chemie-Nobelpreis erhielt Stefan Hell eine Vielzahl weiterer Preise, darunter den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2008), den Otto-Hahn-Preis für Physik (2009), den Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft (2011), den Kavli-Preis für Nanowissenschaften (2014) und den Werner-von-Siemens-Ring (2022).
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